Ausflug ins Gestern - Teil 1
Wer in der Zukunft lesen will, muss in der Vergangenheit blättern.
Andre Malraux
Bei der Erarbeitung unserer Dokumentation habe ich mich auch mit den Wurzeln des Objektes 5001 beschäftigt und da kommt man um die Protokolle des Nationalen Verteidigungsrates (NVR) der DDR nicht herum. Die Lektüre dieser Dokumente gibt sehr interessante Aufschlüsse über die Entwicklungsgeschichte der verbunkerten Führungsstellen und somit auch der Hauptführungsstelle (HFÜST) des NVR. Im Protokoll von 1968 wird die Konzeption zur Errichtung von 22 Führungsstellen vorgestellt, ein Programm, das wie sich später herausstellen wird, nicht realisierbar ist. Die Umsetzung erfolgte auch sehr schleppend, denn anfangs wurden vorrangig kleinere, geschützte militärische Objekte gebaut.
Mit dem Bau dieser Objekte wurden grundlegende wissenschaftlich technische Erfahrungen gesammelt und die personellen Voraussetzungen auf dem Gebiet des Schutzbauwesens geschaffen. Es gab zusätzlich zahlreiche Konsultationen bei den sowjetischen Spezialisten und in der Summe resultierte daraus der Prototyp der modernen Führungsschutzbauwerke, das Objekt 17/016 bei Hennickendorf. Das Nachfolgebauwerk für den Minister für Nationale Verteidigung bei Harnekop weist zwar einige Veränderungen auf, ist aber nach dem gleichen Grundprinzip gebaut. Bei der Errichtung dieser Bauwerke wurde aber auch deutlich welche Ressourcen derartige Objekte verschlingen. Deshalb erfolgte 1974 eine Straffung der Konzeption für geschützte Führungsstellen. In der Begründung dieses Programms wird auch darauf verwiesen dass Nachholbedarf besteht, da NATO- und auch Führungsgremien der BRD bereits ausreichend verbunkert sind, dabei wurde insbesondere auf den Regierungsbunker in Ahrweiler, 10 Luftschutzwarnämter und Ausweichsitze für die Ministerpräsidenten der einzelnen Bundesländer hingewiesen.
Im Juni dieses Jahres ergab sich die Gelegenheit diese interessanten geschichtlichen Aspekte in der Realität nachzuvollziehen. Der Ausgangspunkt war folgender: Während der zeitweiligen Öffnung des Objektes 5001 im Jahr 2008 waren einige Mitarbeiter der Dokumentationsstätte in Ahrweiler bei uns zu Gast. Wir haben einen guten Draht zu einander gefunden und uns ausführlich über Bunker im Allgemeinen und im Besonderen ausgetauscht. Zum Abschied wurde ein Gegenbesuch vereinbart, doch es ist einige Zeit vergangen ehe wir nach Ahrweiler aufbrechen konnten. Nun ließ sich ein Termin beim Bundesarchiv in Freiburg mit dem Besuch des Regierungsbunkers im Ahrtal verbinden. Doch es sollte noch viel besser kommen: Es gab noch zwei zusätzliche Angebote - das Luftschutzwarnamt in Linnich und der Ausweichsitz des Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen in Urft. Wenn die Netzwerke einmal geknüpft sind, sollte man auch davon profitieren. Deshalb haben wir die Gelegenheit genutzt und bedanken uns auf diesem Weg auch noch einmal bei den Mitgliedern der Dokumentationsstätte für Ihre Gastfreundschaft und die gute Organisation.
Drei sehr interessante Objekte in drei Tagen, ein guter Schnitt. Begonnen haben wir in Linnich. Dieses Objekt ist seit einigen Jahren außer Dienst gestellt und nicht öffentlich, der normale Verfallsprozess hat eingesetzt, doch für Bunkerinsider immer noch interessant. Diese Luftschutzwarnämter wurden ebenfalls nach einem Typenprojekt errichtet und sind bis auf geringfügige Geländeanpassungen baugleich. Ein Großteil der Technik war ebenfalls noch vor Ort und somit die technologischen Prozesse nachvollziehbar. Es ist schon erkennbar, dass Ingenieure in Ost und West viele gemeinsame Ansatzpunkte für technische Lösungen hatten, es sind aber auch grundsätzlich andere Philosophien bei den schutzbautechnischen Grundsätzen zu erkennen. Der Ausweichführungssitz in Urft wurde ebenfalls nach dem Typenprojekt der Warnämter errichtet, der einzige große Unterschied, hier fehlt der zweietagige Lagesaal. Die eingesetzte Technik ist moderner, vor allem die automatischen Druckschutzklappen zeigen eine Weiterentwicklung der Schutztechnik. Generell ist der Bunker in einem sehr guten Zustand und wird durch eine sehr interessante Form der Führung dargestellt. (Kontakt: www.ausweichsitz-nrw.de
Das Beste zum Schluss: Der „Ausweichsitz der Verfassungsorgane der Bundesrepublik Deutschland" in Ahrweiler, ehemals eine Riesenanlage, genauer betrachtet fünf Bunker in Einem, die Ausbaustufen 3-5 der modernere Teil. Von all dem sind ca. 200 Meter übrig geblieben, so hat der Besucher noch einen kleinen Einblick über die einstige Kleinstadt im Weinberg. Für die Stadt im Verborgenen mussten die bundesdeutschen Steuerzahler ca. 4,7 Milliarden DM an Baukosten und jährlich 22 Millionen Betriebskosten bereitstellen. Davon wusste aber lange Zeit nicht einmal der Bundesrechnungshof etwas, denn die Kosten waren gut in anderen Positionen des Haushaltes versteckt. Aber wer fragt bei einem solchen schönen Bunker nach dem schnöden Mammon. Beim Rückbau blieben einige Millionen übrig, ein Teil davon wurde für eine Dokumentationsstätte verwendet und der Nachwelt blieb ein einmaliges zeitgeschichtliches Denkmal erhalten. Ein Besuch lohnt sich. Neben dem Bunker gibt es auch eine reizvolle Umgebung (Kontakt: www.regbu.de
Der Besucher erhält einen interessanten Einblick, wie die Führungsebene um den Bundespräsidenten vor den Auswirkungen eines Raketen-Kernwaffenkrieges geschützt werden sollte. Ob dieses gigantische Bauwerk (ca.17 km Tunnel) diesen Anforderungen genügt hätte, dazu gibt es viele Fragen und Zweifler. Doch zurück zu unserer Tour: Wir hatten das Privileg etwas mehr von dieser wirklich monumentalen Anlage zu sehen und mit unserem sachkundigen Begleiter über viele technische Details zu sprechen. Dabei wurde ich an einige Fragen von unseren Führungen in Prenden erinnert, einige Besucher wollten gerne eine Wertung über die beiden Regierungsbunker aus Ost und West hören. Da ich den „Westbunker" nur vom Papier her kannte, war ich sehr zurückhaltend und man kann die beiden Bunker auch nur sehr schwer miteinander vergleichen. Vielleicht aus heutiger Sicht folgende scherzhafte Variante: Die Bundesregierung ist mit einem komfortablen Reisebus in den Krieg gefahren, die DDR Führung mit kleinen Pkws, aber keineswegs Trabbis.
Ich finde es gut dass keiner erfahren musste, welches Gefährt die bessere Straßenlage gehabt hätte.
Für heute mit freundlichen Grüßen, Jürgen Freitag