Bunkertour Made in USA, Teil 3 - Kein Norad aber Minuteman I
Ich bin nicht sicher, mit welchen Waffen der dritte Weltkrieg ausgetragen wird,
aber im vierten Weltkrieg werden sie mit Stöcken und Steinen kämpfen.
Albert Einstein
Unsere Fahrt nach Colorado Springs war toll, die Interstate schlängelt sich durch die Ausläufer der Rocky Mountains in Richtung Denver. Dann ging es weiter in Richtung Cheyenne Mountain. Vor uns lag Colorado Springs und auf der rechten Seite sahen wir, in der Ferne, schon den charakteristischen Berg, mit der riesigen Antennenanlage. In seinem Inneren befindet sich die Bunkeranlage des North American Aerospace Defense Command (NORAD) (Nordamerikanisches Luft- und Weltraum- Verteidigungskommando). Das ist die gemeinsame Einrichtung der Vereinigten Staaten von Amerika und Kanada, die den Weltraum überwachen und vor Angriffen mit Interkontinentalraketen (ICBM) warnen soll.
Dort wollten wir gerne hinein und Hannes hatte deshalb einige Telefonate geführt. Er hatte auch eine halb und halb Zusage bekommen. Noch waren wir optimistisch, doch leider sollte sich unser Wunsch nicht erfüllen. Die letzte Aussage bei unserem Telefongespräch vor Ort war, man befände sich in einer erhöhten Alarmbereitschaft und könne das Lagezentrum nicht in einen neutralen Zustand bringen, somit wäre eine Führung nicht möglich. Wir machten einige Fotos aus der Ferne und trösteten uns mit einem nächsten Mal.
Also ging es zurück auf die Interstate in Richtung Norden. Jetzt lagen einige Meilen vor uns, denn unser nächstes Ziel war die im mittleren Westen gelegene Kleinstadt Wall. Nachdem wir das Gebirge hinter uns gelassen hatten, fuhren wir lang durch flaches Farmland. Dann erreichten wir die im Südwesten von South Dakota gelegenen Badlands ("Schlechtes Land"). Eine wirklich dünn besiedelte Gegend, auch ein Grund, warum unser nächstes Ziel hier stationiert wurde. In der Nähe von Wall, unmittelbar neben dem Badlands Nationalpark, war ein Teil der 66. Missile Squadron disloziert. Zu einer Squatron gehören drei Startkontrollcenter mit jeweils 10 Raketensilos vom Typ Minuteman. Zur Hochzeit des kalten Krieges gab es 1000 solcher Silos über die USA verstreut. Mit in Kraft treten der Abrüstungsverträge wurden 500 Minuteman I und II außer Betrieb gestellt. Trotzdem waren im Frühjahr 2008, noch 488 Minuteman III Raketen mit 764 Sprengköpfen (300-335 kt), aktiv. Eine der außer Dienst gestellten Minuteman I Anlagen wurde als Museum erhalten und wird vom Nationalpark Service betreut. Hier kann man das gesamte Startkontrollcenter und eines der Silos oberirdisch besichtigen.
Unsere Anmeldung umfasste allerdings eine Sondertour, somit durften wir auch das gesamte Silo von innen anschauen. Nach einer kurzen Absprache fuhren wir mit der Rangerin zur Anlage. Die Standard-Führung am Silo beinhaltet das Betreten des Geländes und einen Blick in die Tiefe, dazu nur recht allgemeine Erläuterungen. Der Verschlussdeckel ist zur Hälfte zurückgezogen worden und so kann man die Rakete im Schacht betrachten. Auch hier keine große Ausdehnung, aber einige Technik. Das Silo war vom Grundsatz unbemannt, wurde im Normalfall vom Controlcenter gesteuert und wurde nur zu den turnusmäßigen Wartungsaufgaben betreten. Für mich fast unvorstellbar, das Silo wurde nur mit Technik gesichert. Für zehn Silos gab es eine Sicherungs- und Wartungseinheit, welche im Objekt des Startkontrollcenters saß und nur bei Bedarf ausrückte. Auf den ersten Blick könnte man sagen: "Die Amerikaner sind verrückt, sie lassen ihre Atomraketen einfach unbeaufsichtigt in der Landschaft rumstehen". So ist es aber nicht. Es gibt eine Sicherungsanlage die auf Körperschall reagiert und es sind Kameras installiert, alles wird auf das Basisobjekt übertragen. Die Objekte lagen im Bereich von etwa 8 Meilen und so konnten die Sicherungskräfte schnell vor Ort sein. Ausserdem war der Zugang zum Silo mit einer schweren Druckschutz-Einstiegsluke verschlossen. Diese Luke wird hydraulisch geöffnet und die Verrieglung der Hydraulik ist mit einem Zahlenschloss gesichert. Das Öffnen dieses ersten Hindernisses dauert schon einige Minuten, da sich der Öffnungsmechanismus beabsichtigter Weise sehr langsam bewegt. Unter der Luke befindet sich dann ein Metallstempel, der den gesamten Einstiegschacht ausfüllt. Dieser Stempel ist wieder elektronisch, mit einer Zahlenkombination, gesichert und muss erst ganz nach unten gefahren werden, bevor der Schacht passierbar ist. Auch dieses dauert eine halbe Ewigkeit. Endlich drinnen, kommt man auch nicht so leicht an die Rakete heran. Das Öffnen des Silos ist noch heute ein Zeremoniell und wir verfolgten interessiert die einzelnen Schritte. Endlich war es soweit und wir durften über die Einstiegsluke hinabsteigen.
Nach der gigantischen Anlage von Titan I, der noch relativ großen von Titan II ist Minuteman I geradezu klein und überschaubar. Die Gesamte Technik wurde auf zwei Etagen untergebracht. Im Gegensatz zu den Vorgängern, ist die Trennwand zum Technikbereich nicht so kompakt ausgeführt und die Rakete wirkt fast zierlich. Das ändert aber nicht daran, dass ihr W 56 Atomsprengkopf (1,2 Megatonnen) eine verheerende Vernichtungswirkung hatte. Zum Siloboden gelangte man nur recht abenteuerlich über einem am Flaschenzug hängenden Sitz. Alles ist sehr zweckmäßig, aber nur für einen Start ausgelegt, ein „Wegwerf- Silo". Ein Teil der Technik wie Stromversorgung (außer Batterieanlage, die ist im Level 2 untergebracht) und Lüftungstechnik befinden sich in einem nur schwach geschützten Anbau. Nach einem ausgedehnten Rundgang durch das Silo und den Aufnahmen für die Panoramen fuhren wir weiter zur Basis.
Auch dieses Objekt relativ klein, aber mit einem größeren Gebäude in typisch amerikanischer Leichtbauweise, und die Klimaanlage darf nicht fehlen. In diesem Gebäude: die Sicherheitszentrale mit der Monitorüberwachung der Silokomplexe, die Aufenthaltsräume der Sicherheits- und Wartungscrew und die Energieversorgung (auch für den unterirdischen Komplex). In dieses Gebäude ist auch das Eingangsbauwerk integriert, doch hier hört die Leichtbauweise auf. Der obligatorische Fahrstuhl durfte nicht fehlen, auch wenn es maximal 10 Meter nach unten ging. Nach einer scharfen Rechtskurve standen wir vor der schweren Drucktür. Ein Air Force Angehöriger mit einem Touch fürs Makabere hatte sie mit einem Graffiti verziert. Neben einer stilisierten Pizzaschachtel steht sinngemäß: "Weltweite Lieferung in nur 30 Minuten." Guten Appetit! Nachdem wir die 4 Tonnen schwere und gut einem halben Meter dicke Stahltür passiert hatten, standen wir auf der Plattform des Startkontrollcenters. Vom ersten Eindruck hat es viel mit dem Weltraumlabor „Spacelab" gemeinsam, der absolut zweckorientierte Aufbau viel Elektronik und wenig Platz.
Die Besatzung bestand auch hier aus zwei Air Force-Offizieren und die waren Herren über 10 ballistische Nuklearraketen. Die Startprozedur ähnlich wie bei Titan II beschrieben. Der Raum und die Ausstattung kamen mir bekannt vor. Zurück in der Heimat, habe ich mir bei "Youtube" eine Filmsequenz aus "The Day After" angeschaut. Dieser Film hatte sich mir aus mehreren Gründen tief eingeprägt, doch das ist eine andere Geschichte. In diesem recht realistischen (deswegen wurden die Produzenten auch von den Hardlinern des militärisch industriellen Komplexes scharf angegriffen), aber zum Glück fiktiven Film über einen Raketen-Kernwaffenkrieg, wurde ein solches Startkontrollcenter gezeigt. Und das zu der damaligen Zeit! Auch andere kurze Sequenzen aus realen Anlagen und Tests sind in diesem und anderen Filmen (z.B. "Wargames") verwandt worden.
Alles Nötige ist in einem Container auf engsten Raum untergebracht, Technik-, Versorgungs-, Ruhe- und Sanitärbereich. Auch der relativ einfache Filter für das Überlebenssystem ist hier installiert. Der Erschütterungsschutz durch vier Gasstoßdämpfer realisiert, bei diesem System wird Sauerstoff verwendet. Anfänglich hatte ich vermutet, dass die vorhandenen Druckflaschen für die Überdruckhaltung verwendet werden. Sie dienen aber ausschließlich für die Druckstabilisierung der Dämpfer. Mein persönlicher Eindruck: Auf den ersten Blick recht passabel, auf den Zweiten sieht man die Wegwerfvariante. Die Nationalpark-Rangerin hat sich große Mühe gegeben, doch bei einigen speziellen Details musste sie leider passen. Auch wenn wir die letzten Einzelheiten nicht in Erfahrung bringen konnten, gab es sehr interessante Einblicke und dafür nochmals vielen Dank.
Die Palette unserer Reiseziele neigte sich langsam dem Ende zu, nur der Bunker in Greenbrier steht noch auf dem Programm. Dazu, wegen des schon lang gewordenen Beitrags, später mehr.
Für heute mit freundlichen Grüßen, Jürgen Freitag